Mittwoch, 31. Dezember 2008

Tour durch den Osten + Norden Jordaniens

Nachdem unsere Velotour gestern ein ziemlich überraschendes und abruptes Ende genommen hatte, entschieden wir uns, noch ein wenig den Osten und Norden Jordaniens auszukundschaften. Dafür haben wir für zwei Tage ein Auto gemietet. Zuerst hiess es, gleich einmal den Tank auffüllen, da dieser entgegen unserer Sitten fast bis auf den letzten Tropfen leer war! Weil ich die Benzinpreise von Jordanien überhaupt nicht gewöhnt war, wollte ich vorerst mal für 30 JD tanken. Nach 16 JD war der Tank aber bereits randvoll! Dies sollte dann locker bis zum Ende unseres Ausfluges reichen... Danach ging es ostwärts Richtung Azraq, eine Oasenstadt in der Wüste von Badiya. Bis nach Zarqa fanden wir den Weg problemlos und ich führte mich mit wiederholtem Hupen auch bestens in den jordanischen Verkehr ein;-) In der riesigen Industriestadt unweit von Amman, wo hektisches Treiben herrschte und gerade ein paar kleinere Demonstrationen gegen den Gazakrieg stattfanden, machten wir dann eine kleinere Irrfahrt. Bald ging es aber auf dem “Öl-Highway“ weiter, seit dem ersten Irak-Krieg ist nämlich die transarbaische Pipeline ausser Betrieb und darum wird diese Route von unzähligen Lastwagen auf ihrem Weg in die Raffinerie von Zarqa befahren.

Nach etwas Suchen fanden wir das erste der Wüstenschlösser, einer der Gründe für unsere Reise in den Osten von Jordanien. Es hatte sich gelohnt, nach dem Qasr Al-Hallabat Ausschau zu halten: Vor allem die wunderbaren Mosaike, die eleganten Torbögen, die hellen + dunklen Mauern aus verschiedenen Gesteinsarten und die Überreste von prunkvollen Wänden aus Marmor haben uns beeindruckt! Das in der Nähe liegende Badehaus Hammam as-Sarakh war dann allerdings nichts Spezielles... Aber immerhin gab es hier zufälligerweise ein Wiedersehen mit den Italienern, die in Wadi Rum im gleichen Camp übernachteten wie wir. Als wir in Azraq ankamen, begaben wir uns gleich auf die Suche nach der Azraq Lodge, die von der Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) geführt wird, und bezogen dort ein hübsches Doppelzimmer. Jetzt besichtigten wir noch ein weiteres Wüstenschloss, nämlich das Qasr al-Azraq. Das Imposanteste an diesem Schloss sind die massiven Eingangstore aus Stein. Die beiden Flügel beim Haupteingang wiegen je eine Tonne, lassen sich in ihren mit Palmöl geschmierten Steinangeln aber ohne grosse Mühe öffnen und schliessen!

Nun wollten wir noch durchs Azraq Wetland Reserve spazieren und nach Vögeln Ausschau halten. Mit Glück gelang uns dies um 15.50 Uhr tatsächlich noch, obwohl der Aufseher (für uns überraschend) 10 Minuten später eigentlich bereits die Türen schliessen wollte. Wegen der reichlichen Wasservorkommen war Azraq für Menschen und Tiere stets von grosser Bedeutung gewesen. Früher konnte man hier Hunderte von Vogelarten beobachten, darunter viele Zugvögel, die hier auf ihrer Reise in den Süden einen Zwischenhalt machten. Leider ist von dem nicht mehr viel übrig geblieben: Das Wasservorkommen in den sogenannten Marschen ist drastisch zurückgegangen, weil immer mehr Wasser für den wachsenden Bedarf (hauptsächlich von Amman) abgepumpt wird. Trotzdem war der Anblick dieser Oase inmitten der Wüste faszinierend und wir genossen die schöne Umgebung sehr:-) Das riesige Schilf, die verbliebenen Tümpel, die zwitschernden Vögel und zuletzt sogar noch ein Wasserbüffel machten den Besuch in diesem Naturschutzgebiet zu einem einzigartigen Erlebnis! Hoffentlich kann die RSCN dem Druck des steigenden Wasserbedarfs standhalten und dieses Juwel erhalten bzw. wieder aufleben lassen. Zum Abschluss des Tages gab es zum Nachtessen ein herrliches Buffet, zubereitet von einer tschetschenischen Familie.

Weil uns das Wetland Reserve so gut gefallen hatte und wir gestern nur noch wenig Zeit hatten, fuhren wir nochmals dorthin. Jetzt konnten wir uns etwas mehr Zeit nehmen und auch noch die interessante Ausstellung besuchen, wo wir viel über die Geschichte dieser Wüsteninsel erfuhren. Danach wollten wir auch noch die letzten beiden Wüstenschlösser besichtigen, die an dieser Route liegen. Qusair Amra ist wohl die bedeutendste dieser historischen Bauten und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe, was an den vielen Touristen-Cars unschwer zu erkennen war... Das Prunkstück dieser Anlage ist das geräumige Badehaus, welches über eine Fussbodenheizung verfügte! Die beeindruckenden Fresken sind teilweise noch sehr gut erhalten und nicht wie andernorts zerstört worden, in den letzten Jahren leider aber auch vermehrt verschmiert worden... Sie zeigen Bilder aus dem Alltag: Familienleben, Arbeiter, Tänzer + Musiker, Jagdszenen, verschiedene Abbildungen von Herrschern und die erste bekannte Darstellung des Nachthimmels auf einer gewölbten Oberfläche zieren die Wände und Decken. Es folgte die Weiterfahrt zum Qasr al-Kharrana. Hier fanden wir das für uns schönste, authentischste Wüstenschloss vor: Es handelt sich um ein Schloss, wie man es sich vorstellt und steht fast verloren mitten in der Wüste und hat deshalb unseres Erachtens den Namen Wüstenschloss am besten verdient! Die Grundmauern dieses quadratischen Baus mit 35 Metern Seitenlänge sind sehr gut erhalten und auch wenn es etwas weniger prunkvoll ausgestattet ist, faszinierte uns dieses Schloss doch am meisten.

Weil die Zeit noch nicht so weit fortgeschritten war, entschieden wir uns (das heisst, ich musste Miriam ein wenig zu ihrem Glück zwingen...) nicht direkt nach Hause zu fahren, sondern noch einen Umweg via Jerash zu unternehmen. Trotz Wind + Regen wollten wir uns eine weitere Touristenattraktion Jordaniens nicht entgehen lassen. Problemlos fanden wir den Weg an Amman vorbei, aber der Hebel für den hinteren Scheibenwischer liess sich einfach nicht ausfindig machen... Nach einigen Minuten Suchen und Probieren, stellten wir völlig überrascht fest, dass die meisten jordanischen Autos nur vorne einen Scheibenwischer haben;-) In Jerash angekommen hellte sich der Himmel ein wenig auf. Wir waren aber so hungrig, dass wir uns trotzdem gleich übers Buffet im Visitors Centre hermachten. Nach dem Essen regnete es bereits wieder ziemlich stark und wir bereuten unseren Entscheid ein wenig, nicht gleich mit dem Besuch der antiken Stätten begonnen zu haben. Das schlechte Wetter und die unseres Erachtens überteuerten Eintrittspreise (8 JD pro Person) liessen uns sogar kurz überlegen, ob wir auf eine Besichtigung verzichten sollten... Unverrichteter Dinge umzukehren und dafür so weit gefahren zu sein, erschien uns dann zum Glück doch ziemlich unverhältnismässig!

Bei Regen schauten wir uns im Hippodrom um und liefen dann weiter in Richtung Südtor. Plötzlich besserte sich das Wetter schlagartig, die Sonne schaute hinter den Wolken hervor und beim eindrucksvollen Ovalen Forum durften wir einen bezaubernden Regenbogen über den ionischen Säulen bewundern:-) Dies bedeutete den Startschuss zu einer kaum mehr für möglich gehaltenen Fotosession, die in beinahe 100 Fotos von den antiken Stätten von Jerash endetete... Über das Cardo, die von riesigen Säulen gesäumte Nord-Süd-Achse, führte der Weg vorbei an Kathedrale und Nymphäum bis zum Artemistempel und Nordtheater. Den Rückweg zum Zeustempel und Südtheater durften wir bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel geniessen! Ziemlich unerwartet wurde Jerash zu einem absoluten Highlight zum Abschluss unserer zweitägigen Tour durch den Osten und Norden von Jordanien:-)

Bei hereinbrechender Nacht ging es nun zurück nach Amman. Das Teamwork funktionierte gut und so fanden wir den Weg zurück nach Jubeiha, meinem Wohnviertel, relativ gut. Bevor wird das Mietauto zurückbrachten, nutzten wir noch die Gelegenheit, einen grösseren Einkauf zu tätigen. Zu Hause legten wir uns hin und wollten “kurz“ etwas ausruhen: Natürlich sind wir dabei wieder eingeschlafen und hätten so fast den Jahreswechsel verpasst... Kurz vor 24.00 Uhr machten wir einen kurzen Spaziergang durchs Quartier. Still und leise, ohne irgendwelche knallenden Champagner-Korken, dafür mit einem Kuss bei eisiger Kälte rutschten wir ins Neue Jahr und wünschten uns gegenseitig ein erfolgreiches, glückliches 2009!


leer